Sie pflegen eine Ihnen nahestehende Person, die an Demenz erkrankt ist und leben in Thüringen, Berlin und jeweils angrenzenden Regionen? Haben Sie Interesse an der Studie „individualisierte Musik für Menschen mit Demenz in der häuslichen Pflege (IMuD-App)“ teilzunehmen oder möchten unverbindlich
weitere Informationen erhalten?
Gern können Sie sich bei uns melden, so dass wir Ihnen erste Informationen zum Projekt geben können und gemeinsam einschätzen, ob die Teilnahme an unserer Studie für Sie in Frage kommt.
Erhalten Sie in unserem neuen Artikel „Lieblingsmusik im Blick der Wissenschaft“ (erschienen in Aktivieren 3/22, Vinzentz Network, Hannover) einen Einblick in die Durchführung der Musikhörintervention und die individuellen Reaktionen der Teilnehmer:innen in Pflegeheimen.
„Ah, das kenne ich von früher, das fand ich schön“ (ID 40)
Das Leben für Menschen mit Demenz verändert sich im Verlauf ihrer Erkrankung grundlegend. Sie benötigen im Alltag zunehmend Unterstützung von betreuenden Personen, die beispielsweise im Haushalt, bei Einkäufen oder täglichen Routinen helfen. Mit dem Verlust von Fähigkeiten zurecht zu kommen, stellt für Menschen mit Demenz eine große Herausforderung dar. Manche ziehen sich verstärkt von anderen Personen zurück, haben depressive Anzeichen oder fühlen sich unruhig und laufen viel umher. Trotz der Einschränkungen bleibt die Fähigkeit zu genießen, sich zu erfreuen und wohlzufühlen erhalten. Es gilt für betreuende Personen in Pflegeheimen und Tagespflegeeinrichtungen wie auch für Angehörige in der Häuslichkeit Aktivitäten zu finden, die die Lebens- und Betreuungsqualität von Menschen mit Demenz aufrechterhalten und verbessern. Genussmomente zu schaffen und wohltuende Beschäftigungen zu finden, die es den Menschen mit Demenz ermöglichen einen Zugang zur eigenen Identität zu erhalten, sind besonders wichtig. Hierbei ist Musik als nebenwirkungsarmes, nicht-medikamentöses Medium von großer Bedeutung.
Der auf dem Sundance Filmfestival prämierte Dokumentarfilm Alive Inside (Rossato-Bennett et al., 2014, nach der Idee von Dan Cohen) zeigt eindrücklich und berührend, wie persönlich bedeutsame Musik Menschen mit Demenz gewissermaßen „zum Leben erwecken“ kann. So entstand bereits 2016 die Idee zur Umsetzung eines Forschungsprojekts zu Lieblingsmusik für Menschen mit Demenz.
Erinnern Sie sich an die Lieder ihrer Jugend?
Musik ist wichtiger Bestandteil unserer Biografie und wird im Gehirn an Orten des Langzeitgedächtnisses gespeichert, die von einer Demenz weniger stark betroffen sind. Hören Sie eine bestimmte Melodie und können sich plötzlich an lange zurückliegende Ereignisse, Liedtexte, Gesichter und Geschichten erinnern? Genau diese Erinnerungsfähigkeit beim Hören von Musik ist auch bei Menschen mit Demenz noch lange erhalten. Wir suchen genau jene Lieblingsmusik, die im Leben der Person vor der Erkrankung bedeutsam war und mit positiven Erfahrungen und Gefühlen verbunden ist.
In unseren Forschungsprojekten wird die persönliche Lieblingsmusik über Fragebögen und Interviews mit den Angehörigen und, wenn möglich, auch den Menschen mit Demenz erfragt und von uns als Musikliste zusammengestellt. Dabei fragen wir beispielsweise nach Lieblingsliedern und Lieblingsinterpretierenden, aber auch, welche Musik auf besonderen Ereignissen wie beispielsweise Familienfeiern gehört wurde.
Nach der erfolgreichen Umsetzung einer Pilotstudie mit 20 teilnehmenden Menschen mit Demenz in einem Pflegeheim im Jahr 2016 wurde von Januar 2018 bis April 2021 in der Abteilung Klinisch-psychologische Intervention der Universität Jena unter Leitung von Prof. Dr. Gabriele Wilz das 3-jährige Forschungsprojekt Individualisierte Musik für Menschen mit Demenz – Verbesserung von Lebensqualität und sozialer Partizipation für Menschen mit Demenz in der institutionellen Pflege durchgeführt.
In diesem vom GKV-Spitzenverband der Pflege- und Krankenkassen geförderten Projekt (Fördervolumen: 342.514,33 Euro) wurde untersucht, wie Menschen mit Demenz aller Schweregrade, die in einem Pflegeheim leben, das regelmäßige Hören von individualisierter Musik annehmen. Beobachtet wurde, wie sich die Musikintervention auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden sowie das soziale Miteinander und herausfordernde Verhalten von Menschen mit Demenz auswirkt. Zudem wurde untersucht, wie die Musikintervention im Alltag des Pflegeheims umgesetzt und in den Pflegealltag integriert werden konnte.
Die Durchführung der Musikintervention fand nacheinander in fünf Pflegeheimen in Thüringen statt:
Es handelte sich um eine randomisiert-kontrollierte Studie mit einer Interventions- und Kontrollgruppe und einem Prä-Post-Follow-up-Design. Dies bedeutet, dass die teilnehmenden Menschen mit Demenz zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt wurden. In der Vergleichsgruppe erhielten die Menschen mit Demenz keine Musikintervention und bestritten ihren Alltag im Pflegeheim wie gehabt. In der Interventionsgruppe hörten die Menschen mit Demenz über 6 Wochen hinweg alle zwei Tage über ein tragbares Abspielgerät (MP3-Player) und Kopfhörer ihre Lieblingsmusik. Sie wurden dabei durch Mitarbeitende des Projektteams oder des Pflegeheims, Angehörige oder Ehrenamtliche begleitet.
Alle Schritte der Umsetzung wurden detailliert dokumentiert. 6 Wochen vor Beginn der Interventionsphase, direkt davor sowie direkt danach und weitere 6 Wochen später wurde das Pflegepersonal zu verschiedenen Aspekten des Befindens der Menschen mit Demenz per Fragebogen befragt. Im Verlauf der Interventionsphase fanden bei Teilnehmenden beider Gruppen drei 60-minütige Verhaltensbeobachtungen statt, die bei Einverständnis auch auf Video aufgezeichnet wurden. Im Falle der Interventionsgruppe beinhaltetet die Verhaltensbeobachtung die Musikhörintervention. Zudem wurden bei vorliegendem Einverständnis auch Speichelproben entnommen, um biologische Stressmarker zu untersuchen. Nach Abschluss der Intervention wurden in Fallkonferenzen die individuellen Auswirkungen der Musikintervention auf die Teilnehmenden besprochen.
Wir konnten 118 Menschen mit Demenz für die Teilnahme gewinnen. Im Durchschnitt waren sie 84 Jahre alt (zwischen 65 und 105 Jahre) und zum Großteil (76%) weiblich. Sie lebten im Schnitt seit 2,6 Jahren im jeweiligen Seniorenheim. Nur wenige (16,7%) waren von einer leichten Demenz betroffen, bei knapp 60% der Teilnehmenden lag eine schwere Demenz vor.
Die Musikintervention konnte erfolgreich in den verschiedenen Pflegeheimen umgesetzt werden. Das regelmäßige Hören der Lieblingsmusik wurde seitens der Mitarbeitenden der Pflegeheime als große Unterstützung wahrgenommen.
Nach ersten Auswertungen zu kurzfristigen Effekten der Musikintervention aus den 60-minütigen Verhaltensbeobachtungen finden sich bei den teilnehmenden Menschen mit Demenz stets individuelle, jedoch vorwiegend positive Reaktionen auf das Musikhören. Wir beobachteten unter anderem Freude, Genuss, Entspannung, Rührung, Gespräche, Mitsingen und Mittanzen oder auch versunkenes, ruhiges Zuhören.
Die positiven Rückmeldungen nach Ende der sechswöchigen Interventionsphasen zeigen, dass für einen Großteil der Teilnehmenden die Fortführung des regelmäßigen Musikhörens gewünscht wird.
Unser Forschungsprojekt zeigt: Das Hören individualisierter Musik für Menschen mit Demenz, ist eine einfach umzusetzende, kostengünstige, nicht-medikamentöse und innovative Intervention für Menschen mit Demenz aller Schweregrade.
Weitere Ergebnisse zu den kurz- und langfristigen Effekten der individualisierten Musikhörintervention werden nach Auswertung und Publikation hier veröffentlicht.
Da sich gezeigt hat, dass das Hören persönlich bedeutsamer Musik zu einer außergewöhnlich positiven Wirkung bei Menschen mit Demenz, die im Pflegeheim leben, führen kann, soll nun im derzeit laufenden, ebenfalls vom GKV Spitzenverband der Pflege- und Krankenkassen geförderten Folgeprojekt Individualisierte Musik für Menschen mit Demenz in der häuslichen Pflege – Akzeptanz und Wirksamkeit einer App-basierten Musikintervention – IMuD-App (Laufzeit 3 Jahre ab 01/06/2021,
Fördersumme: 569.917,43 €) diese Wirkung auch in der häuslichen Pflege untersucht werden.
Menschen mit einer diagnostizierten Demenz jeden Schweregrads zusammen mit ihren pflegenden Angehörigen.
Es können Menschen mit verschiedenen Formen der Demenz sowie jeden Alters teilnehmen.
Eine kostenfreie Studienteilnahme, für die keine Vorkenntnisse erforderlich sind
Eine auf jeden Menschen mit Demenz persönlich zugeschnittene Musikauswahl für die Musikinterventionen in der Interventionsgruppe
Eine Vergütung von 200€ und die Option Musik zu hören für die Paare der Vergleichsgruppe
Individuell vereinbarte Hausbesuche und Befragungen
Regelmäßiges Ausfüllen von kurzen Fragebögen zum Befinden
(täglich etwa 5-10 min) über 6 Wochen
Ausführliche Anleitung und Unterstützung bei der Umsetzung
der App-basierten Musikintervention und Befragungen
Für den Projektzeitraum wird ein Tablet zur Verfügung gestellt,
eine Internetverbindung ist nicht notwendig
Nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf. Wir stehen Ihnen zur Seite. Sie können uns über das Kontaktformular erreichen.
Prof. Dr. Gabriele Wilz
Projektleitung
Dr. phil. Lisette Weise
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Doreen Rother, M. Sc.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lisa Schön, M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Elisabeth Jakob, M.Sc.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Sophie Geßner, M.Sc.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Dipl.-Psych. Tanja Kalytta
Wissenschaftliche Mitarbeiterin